Friday, June 23, 2006

kontinuitäten eines alleinwohners

weit davon entfernt, ein sozial isolierter kontaktneurotiker zu sein; längst kein vollbärtiger waldbewohner und auch kein würfelaugiger rollenspieler – aber überzeugter alleinwohner. seit gestern nistet die verwandtschaft in ausprägung eines, ja was eigentlich, auf meiner couch. persönlich hab ich ja gar nichts gegen ihn, aber in meinem bad haben nur meine socken oder die wäsche der aktuellen dame des vertrauens zu liegen. ausserdem ist fonds checken auf raiffeisen.at nicht die beschäftigung, die diese wohnung sexy macht. andere menschen noch ungewaschen, derangiert in der wohnung stehen zu haben, ohne mit ihnen rumgemacht zu haben – da könnte man ja gleich ins klo am karlsplatz ziehen.
so. immer bin ich mir natürlich auch nicht selbst genug. zwei konstanten braucht der glückliche alleinwohner – die tageszeitung am morgen und das beisl am abend. bei mir der standard und das goldmund. der standard flattert erst seit kurzem wieder rein, ohne ihn hab ich es nicht ausgehalten. das umblättern, das papier – scheiß auf internet, hypertext und multitasking. zu entdecken, was daniel kehlmann auf seite 29 über aktualität sagt, mitzubekommen, dass er auf ö1 weiter darüber spricht und ich mich den ganzen tag darauf freue, das gefällt mir. es ist die langsamkeit, das überschaubare, das knistern, die zeitung ist die intelektuelle umarmung, das internet nur aktualitätsgeiles rudelbumbsen. das beisl nebenan ist meine persönliche teekanne werbung, natürlich keine wollsockenbiedermaierblütenpottpourieeigenheimidylle, aber die kellnerin legt ihr buch zur seite und plaudert mit mir, der koch lässt mich den neuen rioja probieren (als hätte ich eine ahnung) und ein anderer stammgast, der vorarlberger bühnenbilder schleppt ein stinkendes wagenrad bergkäse durchs lokal. es ist ein gutes gefühl, die menschen in der bar zu kennen. sein bier alleine zu trinken aber doch nicht alleine sein.

Wednesday, June 21, 2006

wir mozzas

morrissey ist das permanent gebrochene herz in uns allen, der nie abgeschickte liebesbrief in der untersten schublade, die vergebliche schönheit einer verpassten chance, die vielleicht nie wirklich eine war, deren nachgeschmack aber zartbitter in der luft hängen bleibt. im vergeblichen wie im unannehmbaren lässt er seine seele lüstern am strick baumeln, so ausgestellt und weithin sichtbar dass sacher-masoch seine freud daran hätt. noch der winzigste vorbote einer ungerechtigkeit lässt ihn zum pfau aufplustern und dagegen ansingen als obs mord und totschlag wär. so wie seine exaltiertheit ihn über jeden kitsch hinweghebt, so machen seine auf jede situation umlegbaren texte ihn zu einer übergroßen projektionsfläche. morrissey bleibt eine kunstfigur, deswegen und in dem er jeder kleinen regung eine bühne gibt, ist er größer als das leben selbst. hier leidet er auch für uns pragmatiker die da nicht mehr mit können. über das
das miese mädchen mit den elektrolyten oder die gefladerte brieftasche nach dem parkrumgemache würde er singen. darum geht’s. aber auch um das mädchen, das manchmal auf dem weg zu schule im selben bus mitfuhr und wo sich ab und zu verhalten die blicke kreuzten. eben auch über die nur angedeutete herzscheiße.

morrissey hat bislang zum glück seiner fans nie auf die altklugen aufmunterer seiner freunde gehört. unvorstellbar, dass man ihm nachher ein 'des wird scho werden' schulterklopfend einedruckt oder 'geh – kumm morgen schaut die welt bereits ganz anders aus' oder ihm ein 'auch andere mütter haben schöne söhne' freundschaftlich nahe legt. nein, alle hilfe schlägt er aus, es muss fatal sein. everlasting pain.

Friday, June 09, 2006

nachtrag

jetzt weiß ich wieso morrissey die alte trantüte so groß ist. er schafft es, da ist er die ausnahme, diese seichte komödie leben (wie sonst könnte man es ertragen), in eine große tragödie zu verwandeln. der schlechte witz (humor ist der knoten der verhindert das der kragen platzt) wird zum großen drama.

Tuesday, June 06, 2006

as i live and breathe

„I entered nothing and nothing entered me
Til you came with the key
And you did your best but
As I live and breathe
You have killed me
You have killed me”
wieder beginnt ein eintrag mit einem songzitat. kein wunder, am wochenende war ich bei Rock im Park. das war er der höhepunkt, morrissey keine fünf meter von mir entfernt singt was ich denke, in jedem song ein widererkennen, jeden song mit inbrunst zurück auf die bühne gebrüllt, vergessen das mädchen, das mir die chips wegen der elektrolyte anbot, vergessen das viele bier, vergessen franz ferdinand, deren gitarren am ersten tag alles an die wand nagelten, vergessen babyshambles, diese mickrige tragödie, vergessen depeche mode, vergessen placebo und die singende schauspielerin. in einer stunde die große tragödie leben besungen - morrissey! niemand ist größer.