Friday, May 19, 2006

ich raunze mich weg

lieber blog, ich stehe wieder am start und mir wird bewusst dass ich mich von dort nie wirklich wegbewegt habe. ich bin wieder 17 und habe grad eben die matura absolviert.
aber jetzt ist später und auf die frage was willst du später einmal machen?, habe ich genauso wie damals auch heute keine antwort. zumindest weiß ich das jetzt. ich umging lange dieses problem indem ich diese frage nur einmal pro monat abonnierte, obwohl ihre nebeneffekte mir jeden tag übel aufstiessen. ist man denn sein ganzes leben lang controller weil man wirtschaft und notar weil man recht studiert hat? über die berufszeit, die ja bekanntlich immer länger wird, entscheidet man sich just in einem moment, wo alles nach einer phase des forcierten reindruckens nur unklar sein kann, wo noch unmöglich die berühmte erfahrung gesammelt werden konnte: nach der matura. dann ein studium indem man auf einem job hinlernt, von dem man in der praxis keine ahnung hat, wenn denn schon überhaupt eine genau vorstellung existiert. das studentenleben tut sein übriges, es wird von einer prüfung bis zur nächsten gelernt und dann schwups die sponsion, der kater, vielleicht eine weltreise (in meinem fall: scheisse nein) und dann das so genannte wirkliche leben: sich im ersten full time job einmal zu recht zu finden. bereits nach 2 wochen hat unsere testperson neben dem ersten job auch die erste ernüchterung : des koan oba net sei! von allen seiten wird aber sogleich beschwichtigt, warte mal ab, das entwickelt sich noch und du bist erst am anfang, dazu kommt noch ein innere stimme die sekundiert: aufgeben tut ma nur an brief.
und jetzt sitze ich hier nach vier jahren und raunze mich während gut bezahlter arbeitszeit (ja: steuergelder) weg. weg ist auch meine sofortige reaktion, die zelte können dabei ruhig zurückgelassen werden, aber wohin solls denn gehen? um gleich dem vorwurf der schuldzuweisung zuvorzukommen: yes, it’s nobodys fault but mine, ich hadere mit den verhältnissen und mit mir selbst. das ist schlimmer als es sich liest und als selbstdiagnose stelle ich mir akute prekarität aus. ja prekarität , wenn auch auf eine inverse weise, manche würden vielleicht sagen perverse weise. zur erklärung: mein herz war ja bei den jugendlichen in frankreich, die in unglaublicher masse und überzeugung auf die straße gingen, um gegen unsichere beschäftigungsverhältnisse (ja wieder die verhältnisse) zu demonstrieren. teilweise wurden da häuserwände mit parolen wie „utopie oder nichts“ beschmiert, was mir hundertmal sympathischer als „samba si, arbeit no“ ist. meine äußerliche situation verhält sich dazu genau diametral: der job superfix (eben zu fix), die arbeitseinteilung innerhalb eines tages verursacht keinen stress (eben zu wenig stress, keine herausforderung) und die bezahlung dafür im verhältnis exorbitant hoch (eben zu hoch). trotzdem weiß auch ich nicht weiter und dementsprechend sind sie auftretenden symptome ähnlich prekär. hier jetzt kurze zitate aus einem artikel von bourdieu über prekäre verhältnisse: „indem sie (die prekarität) die zukunft überhaupt im ungewissen lässt, verwehrt sie den betroffenen vor allem jenes mindestmaß an glauben an die Zukunft, das für eine [...] Auflehnung gegen eine noch so unerträgliche Gegenwart notwendig ist.... weder dem bewusstsein noch dem unterbewussten lässt sie jemals ruhe... arbeitnehmer, die sich in einer prekären lage befinden, lassen sich kaum mobilisieren, da sie in der fähigkeit, zukunftsprojekte zu entwerfen, beeinträchtigt sind. paradoxer weise muss man wenigstens ein Minimum an Gestaltungsmacht über die Gegenwart haben, um ein revolutionäres Projektentwerfen zu können...“ jetzt war ich selbst fast eiin dreiviertel jahr arbeitslos und weiß daher dass das mit nichts zu vergleichen ist. es ist so wie mike in einem früheren blog geschrieben hat: es scheint alles möglich aber ich habs eigentlich nicht nötig, da eh gemütlich, da eh super kohle. über die jahre verdorrt und verknöchert man langsam, bis keine ernergie für veränderung noch da ist, so selbstmitleidig das von außen auch klingen mag. das schlimmste daran vielleicht: die nachlässigkeit mit seinen eigenen wünschen und die situation wird aber einem gewissen zeitpunkt subjektiv immer unveränderbarer. zero toleranz also für dinge, die einen kaputt machen, auch wenn sie man sie erst als schemen am horizont wahr nimmt. ich weiß, dass mein problem viel mit inneren schweinehunden (was für eine unglaublich grausige vorstellung) und mit klassischer wohlstandverwahrlosung zu tun hat. da mache ich mir nichts vor. dennoch in meinem unmittelbarem umfeld kenne ich zwei in vergleichbaren situationen, wo ebenfalls zumindest innerlich nix fix ist: der eine ist controller, der andere steuerberater. es ist also mehr einer schleichende innerliche prekarisierung, die irgendwann einmal auch nach außen bricht und die sich auch um andere koordinaten spannt. nämlich die arbeit mit seinen idealen zu vereinbaren, einer „guten“ sache zu dienen und nicht nur der kontostand, sondern auch die eigene persönlichkeit soll sich weiterentwickeln, wobei das geld im vergleich vernachlässigbarer ist. dem heer der arbeitslosen steht das heer der frustrierten arbeitnehmer gegenüber, die für sich in ihrer tätigkeit keine erfüllung und keinen sinn sehen. die gleichsetzung von arbeit und identität ist sicherlich gefährlich und von der wirtschaft auch so gewollt und man sollte auch darüber diskutieren warum sich die auffassungen und der stellenwert von arbeit in den letzten jahrzehnten gewandelt haben. karriere an sich hat ja für mich überhaupt keinen stellenwert mehr, ich definiere erfolg in der arbeit nicht (nur) durch irgendeinen (irgendwann obligaten) aufstieg, sondern durch den mehrwert der am ende des tages das bier gut schmecken lässt. erfüllung, kacke ja! die gut bezahlten frustrierten in meinem arbeitsumfeld und der anstieg der ehrenamtlichen arbeit geben mir recht, dass das schnöde mammon- zumindest in unseren köpfen- nicht mehr den ersten platz belegt. diese emotionale ausweitung der kampfzone ist statistisch schwer belegbar, aber für mich bereits bewiesen. die arbeit müsste stärker personalisiert werden, wie das ja bereits das produktdesign und die werbung schon seit längerem auf manchmal unerträgliche weise vormachen. im ipod steckt da schon das ich mit drin, mit one wird alles gut und in den persönlichen einstellungen diverser technischer geräte kann man sich zu tode individualisieren.

indem ich dinge noch mal für mich niederschreibe, habe ich früher immer am besten gelernt und auch jetzt wird die wahrheit immer erst zu wahrheit wenn ich sie scharz auf weiß vor mir sehe und sie so bereits verinnerlicht habe. da bin ich mir dann näher. schreiben radikalisiert und das ist gut so. FUCK!

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